Das Brautkleid

"Lass uns heiraten!" So lautete der Wunsch meines bis dahin mit mir Verlobten an einem wunderschönen Abend im Winter.


Im Bett begann bei mir dann auch sofort das Kopfkino: traditionell weisses Kleid..oder lieber doch eine andere Farbe? Na klar Martina! Fast 2m groß und dann in rot - das wäre in unserer Heimat schon ein mittelschwerer Klopper. Vielleicht würde dann aber ausnahmsweise auch mal ein Foto als Resümee auf dem Kirchenzettel gedruckt und nicht nur eine Vorankündigung zu unserer Hochzeit geschrieben? Egal! So muss man den schönsten Tag im Leben dann ja auch nicht übertreiben! Viele Leute zum Schauen sind ja gut, aber nicht um jeden Preis.
Also grübelt es in meinem Kopf weiter. Pferdekutsche? Oooooh ja - der Traum von jedem Mädchen, in Form dieser schönen Zwiebel, wie bei Cinderella (einigen von uns besser als Aschenputtel bekannt..). Aber die ist bestimmt teuer! Dann erstmal nicht buchen und abwarten, ob der Papa oder die Nachbarn sowas feines sponsern.
Und für wann muss die überhaupt gebucht werden? Wir haben ja noch gar keinen Termin festgemacht?! Das ist das Erste, was wir morgen zusammen überlegen müssen.


Als ich am anderen morgen wach werde könnte ich schwören, ich hätte in der Nacht einen Termin mit einer Schneiderin gehabt und mit ihr zusammen sämtliche Stoffproben angesehen, die es gibt! Wenn ich es mir richtig überlege, dann könnte ich sogar behaupten, mir täten die Füße weh..! Was man sich alles einbilden kann?! Apropos einbilden: war der Heiratsantrag von gestern wohl auch nur eine Fatamorgana meines manchmal etwas konfusen Kopfinhaltes? Oh bitte nicht!


Damit ich einen kühlen Kopf bewahren kann, husche ich schnell unter die Dusche. Und dann zum früstücken.


Im Laufe der ersten morgendlichen Nahrungsaufnahme stellt sich heraus, das der Antrag echt war! Hab ich doch gewusst! Als ob ich daran gezweifelt hätte..das wäre ja noch schöner!


In den nächsten Tagen einigen wir uns auf einen Termin (ist ja gar nicht so einfach, wenn man in zig Vereinen ist und alle Daten miteinander abgleichen möchte).
Ich beschliesse, frei dem Motto WAS DU HEUTE KANNST BESORGEN, DASS VERSCHIEBE NICHT AUF MORGEN soviel so bald zu erledigen, wie es eben geht. Einladungen, Tischkarten, Liederhefte, Kirchenschmuck, Kleider für die Engelchen, Blumenschmuck vor der Kirche - und jeder Tag hat nur 24 Stunden!
Aber wie sagte meine Oma immer so schön: "Kopf hoch, wenn der Hals auch schmutzig ist!". Wir schaffen das!



Das Wochenende darauf gehört dann aber erstmal mir und dem Brautmodengeschäft.


Ich betrete den Laden. Eine freundlich drein blickende Dame kommt zur Tür gelaufen, um sie hinter mir zu schließen. "Möchten sie einen Sekt?" Ich lehne dankend ab. Mir ist sowieso schon warm. Die Dame sieht mich an. Hoch...runter zu den Schuhen..wieder hoch...nach gefühlten fünf Minuten meint sie:" Was kann ich denn für sie tun?" Kurz huscht mir die Antwort durch den Kopf:" Ich möchte gerne ein Auto kaufen!" Aber das lasse ich lieber..die Dame scheint ein bisschen nervös zu sein, sie macht mir auch nicht gerade den Anschein, dass sie schon lange hier ist. Also ärgere ich sie mal nicht und sage freundlich:" Ich heirate bald und suche ein Kleid."
Dann beginnt der Rundgang. Anschauene darf man alles, aber um Gottes Willen nichts anfassen! Äussere ich Interesse, wird das Kleid sofort raus gehängt.
Überall im Geschäft stehen zukünftige Bräute auf kleinen Höckerchen, damit der Stoff der Kleider schön ohne aufliegen bis auf den Boden hängt.
So langsam habe ich das Gefühl, das es besser ist, erst einmal in ein Kleid hinein zu steigen um zu sehen, wie man sich so fühlt als Braut in spe. Denn nach kurzer Zeit werden nicht nur Kleider vor gehängt, bei denen ich "Schön!" äussere, sondern auch schon solche, die ich ansehe! Also lieber hinein in die Umkleidekabine.
Hilfsbereit schaut sich die Dame um. Was sucht die bloß?! Sie huscht zu einer Kollegin und kommt mit einem kleinen Treppchen zurück. Ich lächele sie an. "Nein danke, das brauche ich wohl nicht." Sie nickt. "Ich weiss..aber ich, damit ich ihren Reissverschluss zu machen kann!" Gelächter im Laden (sie ist nicht nur jung, sondern hat auch eine sehr auffallende Stimme..bei uns sagt man schräbbelig). Super! Ich merke, wie mein Gesicht noch röter wird. Spätestens jetzt ist es gut, dass ich keinen Sekt angenommen habe!


Ich friemel mich also in das Kleid. Als ich heraus komme, schaue ich in den Spiegel. Total schick...für Karneval! Irgend etwas stört mich an meinem Spiegelbild! Sind es die schwarzen Socken? Ist es die Schramme am Schienbein, die ich einem kleinen Jungen zu verdanken habe, der mich im Kindergarten mit dem Trampeltrecker angefahren hat? Du meine Güte - warum sehe ich die Schramme und die Socken im Spiegel überhaupt? Ich hatte in meinen Träumen nie den Anspruch auf ein Kleid mit Schleppe, aber bis zum Boden sollte es doch schon gehen.
"Das geht ja gar nicht!" entfährt es mir.
"Ja, sie haben recht, solche Strümpfe tragen sie besser nicht an ihrem großen Tag", lächelt die Dame. Ach..ein Scherzchen? "Gute Frau, das Kleid ist viel zu kurz!!"


Und jetzt zeigt sie ihre wahren Fähigkeiten zum Verkaufsgespräch!
Sie trippelt von einem Bein auf das andere und legt die Handflächen vor ihrem Oberkörper zusammen. "Da kann man was dran nähen..das sieht hinterher kein Mensch.. ."


Wie bitte? Was hat sie gesagt?
Wie um alles in der Welt kann man denn an ein Kleid etwas unten komplett herum dran nähen, das hinterher keiner sieht?! Ich möchte keiner Schneiderin zu nahe treten, an solchen Fähigleiten zweifele ich dann aber doch!
Da haut das nette Wesen mir gegenüber auch schon den nächsten gut gemeinten Tip raus. "Wenn sie hohe Schuhe dazu tragen, dann geht das ja vielleicht auch?"
Nee is klar..hohe Schuhe bocken ja auch nur die Person auf und nich die Kleidung, oder wie?!
Und zu den Schuhen fällt ihr spontan auch nochwas ein: "Sie bekommen doch weisse Schuhe in ihrer Größe irgendwo in einem Geschäft? Sonst gehen ja auch welche in anderer Farbe."
Jawoll..weil die das Kleid ja so nähen können, das man keine Schuhe sehen kann. Oder nähen die in ihrem Hinterzimmer wohl auch Schuhe?
Da kuscht der nächste Rat über ihre Lippen:
"Und auf jeden Fall müssen sie schönen Schmuck dazu tragen. Das lenkt den Blick auf das Wesentliche."
Auf die Ohren..damit keiner sieht, dass in dieser Saison MAxikleider zur Hochzeit in Mode kommen? Fast hätte ich gefragt, ob sie auch Pflaster mit Svarowskikristallen hat, damit die Macke am Bein überdeckt wird. In der Stimmung wäre ich!!
"Wir haben aber auch noch andere Kleider..".


Na da bin ich aber beruhigt! So grade noch hat sie jetzt die Kurve gekriegt!


Ich suche mir dann doch ein Kleid aus, das die passende Länge hat (zum Kleid, dass ich danach anprobiert habe gab es übrigens spontan auch eine neue Verkäuferin dazu).



Obwohl ich schon sagen muss, dass ich das Talent der Schneiderin doch mal gerne getestet hätte..ich meine gehört zu haben, dass sie Frau Copperfield heisst- aber ich will mich da jetzt nicht festlegen! ;)

Kommentare 1

  • ...und wie bekommt man das Runde ins Eckige ??? (lach)/pardon,Fußballsprache)
    echt köstlich geschrieben:-(Chapeau,madame)

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