Der Flaneur

Es gibt so altmodische Tätigkeiten und Eigenarten,die nahezu out of time und wie weg sind,wie die des Flaneurs, des Chameurs oder des Bohemiens.


     neulich besuchte ich mein altes Frankfurter Viertel (Bockenheim),schlenderte durch die Straßen,in denen ich mich immer vor über 20 Jahren bewegte.Wo war nur die alte 50qm grosse Autowerkstatt..ah jetzt steht da ein m modernes mehrgeschossiges Appartementhaus neben dem Hessenplatz ..und dort im Hinterhof der Basaltstrasse ein privates Theater,wo ist eigentlich der Obstladen von Herrn P. -gibt es nicht mehr.


Langsam durch bewegte Strassen zu gehen,herumzutödeln ist ein besonderes Vergnügen,das bei mir viel,viel zu kurz kommt.


flaner (Verb): bummeln,umherschlendern


Ich glaube, dass der Rhythmus des Gehens und die Langsamkeit ganz andere Räume öffnen und mit den Schritten auch innere Räume betreten.

Übrigens, das Wappentier (wenn es sowas überhaupt gibt) ist die "Schildkröte"

Der Philosoph Walter Benjamin schrieb um 1840,dass es zum guten Ton gehörte Schildkröten in den Passagen von Paris spazieren zu führen.Der Flaneur habe sich gerne seinem Tempo vorschreiben lassen.


Und wenn ich jetzt schon ins philosophieren abgleite,fällt mir gerade ein Gedanke dazu ein:

Der Flaneur hat auch etwas gefährliches an sich:Flanieren ist keine nur Zeit-verschwendung,sondern eigentlich auch das Gegenteil, eben eine Reibung, das Zwischen-die Zeilen-des Alltags-Getriebe gehen und damit auch das Hinterfragen von Selbstverständlichkeiten.


...und wenn ich so bummle im Zweierrhythmus meiner Beine,kann ich inmichkehren,eröffnen sich da plötzlich neue Denkräume,Empfindungen kommen hoch, was auch immer,aber immer zu mir passend.

Auf die Hast setze ich Ruhe, auf die Gräuschkulisse- Stille.


Hinterm Römerberg angekommen flaniere ich durch die "Neue Altstadt" von Frankfurt.Mittelalterkulisse. Das Authentische haben Stadtplaner neu aufgebaut. Durch diese Kulisse ziehen jeden Tag 1000nde Touris, die sind da zu Hause. Wer wirklich dort wohnt wird zum Besucher,zum Fremden.


Als Flaneur sehe,rieche, ertaste ich Dinge und sauge Athmosphäre auf,die fleißige Touristen nie zu Gesicht bekommen. Ich mache mich aber auch verdächtig.Mistrauische Blicke von Securities oder Geschäftsleuten. Ich komme mir vor wie ein Taschendieb (passender Zeitdieb)


Und wie sieht es mit dem Flaneur des 21 Jhd. aus?


Die Stadt ist immer mit Touristen und Arbeitspendlern überlaufen,die einem automatisch ihren Rhythmus aufdrängen. Noch schwerer wiegen aber zwei weitere Aspekte:

Die grössere Bedrohung des flanierens ist die Privatisierung des öffentlichen Raumes,die vielen privatwirtschaftlichen Shopping-Malls mit eigenen Sicherheitspersonal und strenger Dramaturgie der Shops (auch die Monotonie) .Der Passant wird geradezu gezwungen den vorgegebenen Pfad einzuschlagen.IkeA ist da ein Paradebeispiel.


Hinzu kommen die digitalen Angebote und das Smartphone,die flanieren stark einschränken.

Ich bewege mich zwar im 3D-Raum bin aber durch Smartphone im zweidimensionalen gefangen.! (Zukünfig durch 3D Brillen bekomme ich noch Scheuklappen dazu)


Moderne Flaneure sitzen vor dem Bildschirm. Nicht die Stadt wird erobert sondern die Welt. Alles wird aufgenommen:Gesichter,Körper,Lügen, Wahrheiten, Dinge die ich gar nicht wissen wollte,Dinge von denen ich nie gehört habe,dass es sowas gibt. Die Frage bleibt gleich. Wie gehe ich als Flaneur mit dem Tempo der Verarbeitung um? Kann ich mich noch treiben lassen?

Der Internet-Vordenker Evgeny Morozov sieht den Cyper-Flaneur schon wieder verschwinden.


"Nachdem das Netz seine spielerische Identität hinter sich gelassen hat,ist es kein Ort zum spazierengehen; sondern ein Ort an dem Dinge erledigt werden."


Hinzu kommen noch Datenpiraten wie Facebook,die I-Flanieren durch Datenauswertungen ad absurdum führen.


Was bleibt übrig??

Die Sehnsucht danach.Fast schein der Begriff ein Label dafür zu sein,für hippe Grosstädter. Hier in Frankfurt gibt es ein Strassencafè mit Namen Flaneur, geführte Touren mit Namen Streifzüge für Flaneure.

Doch solche Wiederbelebungsversuche ändern nichts an meiner Melancholie.

Der echte Flaneur hat keinen passenden Ersatz in der digitalen Welt gefunden.||





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