Vergessen
Alle kennen`s, jeder tut`s! Manchmal erschrecke ich mich über meine eigene Vergesslichkeit.Ist das noch normal? Oder schleicht schon die Demenz um die Ecke? Verliere ich auch -mit zunehendem Alter- meine Persönlichkeit?
Vergessen kann schon lästig sein,aber auch tröstlich. Wir erinnern uns oft nur an ausgewählte Augenblicke unserer Lebensgeschichte. Unser Selbstbild filtert.
Das Schlagwort der digitalen Amnesie beschreibt die zunehmende Auslagerung von Informationen....Oder? kennst Du noch auswendig ,die wichtigsten Telefonnummern >(wie vor 20 Jahren noch üblich) Heute speichert das Smartphone und wählt selbsständig an.
...Oder? überall werden mit S.Phones Bilder geschossen, zig tausendfach ,doch die Bilderflut verliert an Erinnerungswert,und gehen irgendwann im Speicher verloren.
Das Vergessen ändert sich halt mit dem technischen Fortschritt; zum Guten? / zum Schlechten ???
In einer bemerkenswerten Sonderausstellung im Historischen Museum Frankfurt (7.03 --14.07.19) geht es in einer sehr modern Art über Erinnerungskultur.
Zum einen werden Exponate über die kollektive Vergesslichkeit der Verbrechen der Nazizeit, des verdrängten Holocaust ausgestellt;aber auch der Widerstand dagegen dokumentiert,die gegen das Schweigen und die Abwehr persönlicher Schuld stehen.
Intessant finde ich auch solche Objekte,die lebenswichtige Reaktionen der Psyche zeigen,um traumatische Lebensereignisse fragmentieren und so abgespeichert werden,dass sie vom eigentlichen Leben (des Ichs) entkoppelt werden.
Es gäbe noch viel über die Austellung zu erwähnen. Eines hat mich aber besonders beeindruckt und gepackt.
Die Klangkünstlerin Christina Kubisch bietet im Rahmen der Ausstellung "Spaziergänge" der anderen Art,rund um das Museum an. Sie bezeichnet das als "Electrical Walks"
Dazu gibt es einen Kopfhörer auszuleihen,der Mittels magnetischer Induktion Strom hörbar (akustische Signale) macht.Es gibt Gruppenspaziergänge rund ums Museum, in denen Stromfelder zu hören sind. Das sieht nicht so aus,wie es sich anhört;und nichts hört sich an ,wie es aussieht
Die Palette variert von Ort zu Ort in Klangfarbe und Lautstärke. Eines haben die Geräusche gemeinsam: Sie sind sogut wie überall,auch dort wo man sie nicht vermutet.#
Interessant wieviele neue Realitäte wir um uns haben und wie sich der Blick plötlich ändert,wenn wir was ganz anderes hören: Leuchtreklame,Überwachungskameras,Aufzüge,Straßenbahnleitungen, Antennen etc. haben Stromfelder ,die unter einem Tarnmantel versteckt sind und doch von unglaublicher Präsenz.
Es zeigt mir,dass wir doch sehr geprägt sind ,von dem was wir hören,es gibt aber sehr wenig Aufzeichnungen,oder Anleitungen zum bewustem Hören.
Erinnern kann man sich erst ,wenn man etwas erlebt hat.Da das bewuste Hören immer weniger wird,da die Bilderflut exponential zunimmt, sind diese "electrical Walks" eine Zeit intensiven Hörens;
und wenn man den Kopfhörer wieder abnimmt,hört man auch genauer und erinnert sich an diese zweite Parallelwelt
Also,diese "Electrical Walk" kann ich empfehlen,da sie (vielleicht) auch Augen auf witzige Weise öffnen;-)