Ist Gott eigentlich noch modern?

Heute fand ich in einem Gemeindebrief folgenden Text:


Ist Gott eigentlich noch modern?


Eines Morgens - die Nächte sind kurz und die Tage lang, auf Erden nennt man das Phänomen Sommer, erklärte der liebe Gott - blickt er an sich herunter ist gänzlich unzufrieden:


"Wie sehe ich denn aus? Was soll man denn von mir denken?" Er ist etwas in Not, weil er sich selbst beschreiben muss. "Es existieren so viele Bilder von mir, dass ich schon fast nicht mehr weiß, wie ich tatsächlich aussehe. Kinder malen mich mit langem Bart und selbst Alte antworten, nach meiner Frisur gefrat, weder mit Vollglatze noch mit Rastalocken.


Meine Kleidung ist wert-konservativ, weit Geschnittenes, leicht Wallendes, bevorzugt. Muss ich nicht etwas Anderes tragen? Ich, der liebe Gott? Oder ist das, was ich trage, auf allen Catwalks dieser Welten erprobt und wird mir deshalb zugeordnet? Sollte es vielleicht ein Business-Anzug sein, so einer mit Weste?


Oder alles in vornehmem Schwarz, gerne Rollkragenpullover, das macht schlank, wirkt seriös und zeigt, dass man eine künstlerische Ader hat. "Nun gut, ich weiß, dass dies nicht bei allen der Fall ist, die sich so kleiden", schmunzelt der liebe Gott in sich hinein. "Aber bei mir ist das so. Zur Aussattung gehört natürlich auch eine Taschenuhr, die jede Stunde, Viertelstunde, Halbviertelstunde, Minute anzeigt. Oder trage ich ein Kostüm? Zweiteilig, mit hohen Absätzen? Alles in Anthrazit, wiederum vornehm und so. Aber wohin kommt dann die Uhr?" fragt sich der liebe Gott


"Auf jeden Fall trage ich nichts einfach von der Stange, sondern etwas Individuelles. Wie mein Typ eben ist. Müsste das vielleicht zeitloser sein? Bei meinem Alter? Trägt man da nicht eher was in grau oder beige, eine ärmellose Weste mit vielen Taschen und bequeme Schuhe? Hab' ich dann noch eine Chance, dass mich Jemand beachtet? Oder will ich schlichtweg unsichtbar sein damit?


Ich bin noch nicht auf dem Altenteil. Bei meinem Alter! Ich habe mich nicht zurückgezogen. Auch wenn das Einige denken. Mit mir ist noch zu rechnen. Und ob!


Immerhin habe ich all die Buntheiten ins Leben gebracht: die Farben, das Licht, die Stoffe. Das darfst Du nicht vergessen, alter Junge", sagt er sich. "Das bist alles Du gewesen. Also nicht zu früh aufgeben. Wie kommen die eigentlich immer darauf mich alt und grau und von gestern darzustellen?


"Ach, das ist doch alles Unsinn. Ich bin, was ich bin und außerdem: An meinen Taten können sie mich erkennen. Und da gibt es ja nun wirklich genug zu sehen. Jeden Tag. Jede Nacht".


Hm, der liebe Gott in einer Sinnkrise oder mit Problemen beim Selbstwertgefühl? Eine komische Vorstellung. Es ist ja auch nur eine Geschichte. Ein Teil aus der Sammlung von "Geschichten aus dem Alltag des Allmächtigen". So heißt das kleine Buch von Wolfgang Heinrich, in das ich immer gerne einen Blick werfe, wenn mir mal wieder alles zu abstrakt, zu theologissch weit weg erscheint. Dann genieße ich auch schon einmal die Vorstellung vom lieben Gott, der durchaus auch in alltäglichen Dingen menschelt. Ja, auch der liebe Gott macht sich Gedanken um seine äußere Erscheinung. Was ziehe ich nur an? Wie kommt mein Typ auch richtig rüber? Sollte ich mich nicht mal ein bisschen verändern? Irgendwie nagt doch der Uzahl der Zeit an ihm Er hat wohl Sorge, dass er nicht mehr in die moderne Welt passt. Dass sein Konzept nicht mehr zündet und er überholt ist.


Ist Gott noch modern? Geben wir ihm noch eine Chance in unserer immer schneller werdenden Welt? Kommt er noch so richtig zum Zug oder zählt er zu den alten Geschichten, die man sich früher erzählte und die auch den Alten vielleicht noch ein bisschen Trost geben; mehr aber auch nicht?


Die Vorstellung von ihm als alten Mann, mit langem weißen Bart, hält sich ja nicht ohne Grund so hartnäckig. Aber das hat nichts mit Eingestaubt-Sein zu tun. So verleiehen wir Menschen der Weisheit,, der Ruhe der Güte und der Besonnenheit Gottes einen Ausdruck.


Den Alten - Männern wie Frauen - kann man vertrauen. Die haben Lebenserfahrung, die wissen genau, wie es läuft. Also: Gott ist zwar alt, aber nicht überholt. Altertümlich ist an ihm nur das, was Menschen aus ihm machen.


Gott ist so jung, wie wir uns fühlen. Wenn wir ihm Bedeutung zumessen, dann kann er angemessen frisch wirken. Er ist zeitgemäß und modern, wenn wir es wollen und ihn lassen.


Schließlich ist dieses anthropomorphe (menschenähnliche) Bild vom alten Mann mit Bart - "Gott sei Dank" - nicht das einzige Bild von Gott; religionspsychologisch betrachtet befinden wir uns bei dieser Vorstellung sogar auf einer eher niederen Ebene, etwa auf der Stufe eines Kindes. Menschen ohne religiöse Bildung bleiben, zumeist auf einer solchen Stufe stehen, und ihr Gottesgild entwickelt sich meist nicht weiter, etwa in Richtung abstrakterer Vorstellungen, wie Sonne, Wind, Sturm oder die Liebe; so lesen wir etwa in der Bibel: "Und wir haben erkannt und gelaubt, die Liebe die Gott zu uns hat. Gott ist die Liebe" (1 Joh. 3, 16).


Oder, als Gott dem Elia am Horeb erscheint: "Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber Gott war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen" (1. Kön 19 12). Ein "stilles, sanftes Sausen" - was für eine wunderbare Vorstellung, gerade angesichts des Lärms und der Hektik in unserer lauten Welt.


Unn dennoch: Gott läsäst sich nicht verbiegen und passend machen, woe wie es die Menschen gerade brauchen. Oder um bei unserem Einstiegsbeispiel zu bleiben: Er trägt keine Kleidung von der Stange. Er lässt sich also nicht auf das EINE Bild festlegen, auch wenn manche das gerne möchten. Weder ist er der "liebe Gott" noch der "Kumpel um die Ecke", wie Nikolaus Schneider beinem Interview auf dem ev. Kirchentag in Stuttgart formulierte, angesprochen auf seinen Gottesglauben nach dem Krebstod seiner Tocher Meie. "Da gibt es auch dunkle Seiten".


Auch die Frage, ob Gott es gut mit ihm seiner Familie meine, sei ihm gekommen. Schließlich kämpft seine Ehefrau Anne seit etwa einem Jahr selbst gegen den Krebs. Der Glaube an Gott müsse, wie in einer Ehe, eine Mischung aus Geschenk und Beziehungsarbeit sein: "Ich darf auch mein Klagen, Fragen und Zweifeln vor Gott bringen, und nicht nur ergebene Ehrfurcht" so Anne Schneider weiter. Die Ärzte sagten Ihr, dass sie vielleicht noch "für fünf bis zehn Jahre planen" könne: "Ich nehme das als großes Geschenk und bin einfach glücklich im Moment".


Nein - Gott ist nicht der Kumpel um die Ecke, nicht der Mann mit Bart, nicht alt und grau oder von vorgestern.... oder ist er etwa doch dies alles und sogar noch viel mehr? Im 2. Buch Mose spricht gott zu Mose aus dem brennenden Dornbusch - der doch nicht verbrannte. Von Angesicht zu Angesicht könne er ihn nicht ansehen, sonst müsse er, Mose, sterben. Aber er teilt ihmm seinen Namen mit: JHWH, was so viel heißt wie: "Ich werde da sein, als der ich da sein werde". Oder anders ausgedrückt: " Ich sage Dir nicht, wer oder was ich in Letzten bin, aber das garantiere ich Dir: Ich werde bei Dir sein, Du musst immer mit mir rechnen!"


Und was ist er uns wert? Lassen wir ihn verstauben, gefangen im selbst geschaffenen System von festgemauerten Wahrheiten? Oder lassen wir ihn wieder vorkommen, bunt und abwechslungsreich, wie er ist?


Er ist, was er ist und außerdem: An seinen Taten können wir ihn erkennen. Und da gibt es ja nun wirklich genug zu sehen. Jeden Tag. Jede Nacht!


In diesem Sinne: Einen schöne und entdeckungsreiche Sommerzeit.


Von: Sandra-Sternke-Menne, Pfarrerin

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